Brustschwester Grit Lüdke
Die pink-farbigen Handschuhe gehören zu ihr genauso wie das gewinnende Lächeln im Gesicht. Selbst unter dem Mund-Nasen-Schutz spricht aus Grit Lüdke die pure Freundlichkeit. Die Zuversicht. Die Hilfsbereitschaft. Bei ihr fühlen sich Patienten aufgehoben. Im Grunde ist sie der Fels in der Brandung – und zwar für Frauen mit der Diagnose Brustkrebs.
Grit Lüdke ist eine Breast Care Nurse, auf Deutsch Brustschwester. Als solche kümmert sie sich individuell um Brustkrebspatientinnen. Sie gilt als das Bindeglied zwischen Arzt und Patientin, aber vermittelt auch zwischen Patientin und Angehörigen und Pflegepersonal sowie Sozialbehörde, Physiotherapie, Sanitätshaus und Selbsthilfegruppen.
Seit 2015 gehört die gelernte Krankenschwester als Brustschwester zum Team des Brustzentrums am Klinikum Magdeburg. Jährlich werden hier in dem kommunalen Haus rund 150 Frauen mit der Erstdiagnose Brustkrebs behandelt. Deutschlandweit sind es rund 75.000 Frauen jährlich, die daran erkranken. Das Brustzentrum am Klinikum Magdeburg wurde 2002 gegründet und ist seit 2006 zertifiziert. Hier werden alle gut- und bösartigen Erkrankungen der Brust bei Frauen und Männern behandelt. Brustkrebs ist das Krankheitsbild, was im Brustzentrum des Klinikums Magdeburg am häufigsten behandelt wird.
„Im Grunde bin ich oft die Dolmetscherin“, fasst die 46-Jährige ihr tägliches Tun zusammen. Ab dem Zeitpunkt der Diagnose, die das Leben der Betroffenen, aber auch der Angehörigen durcheinanderwirbelt, ist Grit Lüdke für die Patientinnen da. Sie ist die erste Ansprechpartnerin. Das betrifft alle Fragen rund um die Krankheit genauso wie um das Leben sowohl mit dem Krebs als auch danach.
Was passiert während der OP mit mir? Wie gehe ich beispielsweise im Falle einer Ablatio (Entfernung der Brust) mit meinem neuen Körperbild um? Was kommt mit der Chemo auf mich zu? Wo bekomme ich eine Perücke her? Welchen BH-Typ kann ich tragen? Und was darf ich körperlich nach der OP machen, staubsaugen, Fenster putzen? … Es gibt drängende Fragen, die einher gehen mit der Therapie. Gleich wichtig, weil sie nun einmal das Leben und den Alltag an sich betreffen, sind eben die Fragen nach Kosmetik und Co. „Das alles darf man nicht einfach abtun, sondern man muss offen sein für jede Frage“, sagt Grit Lüdke.
Ihren Beruf führt sie mit Leib und Seele aus. „Ich bin angekommen und ich möchte nichts anderes mehr machen“, sagt sie. Seit 2004 gehört sie zum Klinikum Magdeburg. Anfangs im OP, 2008 ist sie in die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe gewechselt. Seit 2015 ist sie für die Patienten des Brustzentrums als Brustschwester da. „Ich kann den Frauen helfen, das ist es, was mich täglich antreibt“, gibt sie zu. Manchmal reicht es, ein offenes Ohr zu haben. Ein anderes Mal ist es das Vermitteln an die entsprechenden Hilfestellen wie die Sachsen-Anhaltische Krebsgesellschaft, Selbsthilfegruppe, Sozialdienst oder ähnliche Institutionen. „Mein Aufgabengebiet ist sehr vielfältig und doch immer im Sinne der Patienten“, sagt sie. Für die engagierte Brustschwester hat in ihrem Tun eines Priorität: Das Netzwerken. „Nur so kann ich die Betroffenen an die weiteren Hilfen vermitteln.“ Manchmal sind die Hemmschwellen zu hoch für die Erkrankten, da bedarf es eines kleinen Schubs. Ein anderes Mal sind es Fragen, die sich die Frauen nicht trauen, den Arzt zu fragen. Und das nächste Mal ist es der Fakt, dass statistisch gesehen infolge der Chemotherapie nach 18 bis 21 Tagen die Haare ausfallen werden. „Ich versuche, die Patienten so weit es geht auf die Folgen vorzubereiten, damit sie wissen, worauf sie sich einlassen und damit sie sich eben nicht wundern, wenn Schmerzen beispielsweise in den Knochen oder im Oberbauch auftreten“, erklärt sie.
Keine Frage ist – wenn man es so sagen möchte – zu doof oder banal. Alles ist wichtig. „Die Patienten sollen sich verstanden fühlen und am Ende mit einem guten Gefühl entlassen werden“, nennt Grit Lüdke ihre Prämisse.
"Das Thema Kinder und Familie ist ein ganz wichtiges"
Mit der Entlassung aus dem Krankenhaus hört die Arbeit der Brustschwester jedoch keineswegs auf. „Die Nachsorge macht einen sehr großen Teil aus“, sagt Grit Lüdke. Denn natürlich treten Fragen rund um das Thema Brustkrebs auch nach der OP noch auf. Da geht es beispielsweise um den BH. Nach einer brusterhaltenden OP wird ein Kompressions-BH empfohlen. Nach eine Ablatio ein Spezial-BH. „Durch unsere Kooperationen mit Sanitätshäusern gehen die Frauen mit einem ersten der neuen Lebenssituation angepassten BH nach Hause“, berichtet sie. Das ist ihr wichtig, um den Patientinnen eine von vielen Sorgen zu nehmen. Denn so können sie später in Ruhe nach neuen Modellen suchen – für den Anfang sind sie versorgt.
Grit Lüdke macht sich Gedanken um alles. Dabei kommen ihr ihre eigene Kreativität und Schaffenslust zu Gute. So hat sie in den vergangenen zwei Jahren verschiedene Hilfsmittel mit und für ihre Patientinnen entwickelt und hergestellt. Das sind zum einen die Herzbeanies – schicke Mützen für den von der Chemotherapie kahlen Kopf. Da sind die Herzkissen – Kissen, die unter den Arm gelegt werden und Entspannung für die betroffene Körperregion direkt nach der OP bringen. Da sind die Portkissen – kleine weiche Kissen, die den Druck vom Pkw-Gurt auf den Port mindern. Und da ist die neueste Erfindung mit dem Kirschkernkissen zum „Kühlen und Fühlen“ – ein Kissen, das im Tiefkühler gekühlt wird und auf die Finger gelegt wird. Das soll die Nervenschäden in den Fingerspitzen infolge der Chemotherapie mindern.
Die Brustschwester setzt sich in ihrer Freizeit gern selbst an die Nähmaschine. Inzwischen unterstützen ihre Freunde und Ehrenamtliche sie, indem sie die kleinen, aber feinen Präsente herstellen. So hat sie in ihrem Portfolio heute nicht nur Herzkissen für die betroffenen Frauen. Auch kleine Herzen werden genäht – sie sind für die Kinder der Betroffenen.
„Das Thema Kinder und Familie ist ein ganz wichtiges“, sagt Grit Lüdke in dem Zusammenhang. Deshalb bietet sie den Ehepartnern und genauso den Kindern Gespräche an. „Irgendwie müssen alle mit der neuen Situation klar kommen“, sagt sie. Über die Jahre hat sich die Brustschwester überhaupt eine gute Menschenkenntnis angeeignet. „Ist die Frau mir gegenüber so taff oder ist das nur Fassade“, nennt sie eine Frage, der sie sich inzwischen nicht lange stellen muss. Sie erkennt schnell, wen sie am besten zu einem Psychoonkologen vermittelt oder wen das Thema Wiedereintritt in das Berufsleben beispielsweise am meisten drückt. Bildlich gesehen ist sie die Antenne und der Fühler zugleich, und das zu allen Seiten.
„Es ist immer ein gutes Gefühl für mich, wenn die Patienten zufrieden nach Hause gehen“, sagt sie. Doch bei all der positiven Energie, die sie ausstrahlt, so bleibt es nicht aus, dass Grit Lüdke von den Schicksalen mitgenommen wird. „Ich muss schon darauf achten, wie nah ich mir die einzelnen Geschichten kommen lasse“, sagt sie. Rückhalt gibt ihr ihre Familie – ihr Mann und die beiden Kinder. „Wenn ich von Arbeit komme und erst einmal einen Spaziergang brauche, dann haben sie Verständnis dafür“, erzählt sie. Professionelle Nähe ist für sie im Grunde kein Problem. „Doch wenn zum Beispiel eine Frau, die ich über Jahre begleitet habe, verstirbt, nimmt mich das natürlich auch mit“, gibt sie zu.
Bei rund 10 Prozent der Betroffenen kehrt der Krebs zurück – das nennt man ein Rezidiv. Etwa 30 Prozent der Frauen, die im Klinikum Magdeburg behandelt werden, unterziehen sich vor oder nach der OP einer Chemotherapie. 80 Prozent der Betroffenen werden brusterhaltend behandelt, bei rund 20 Prozent muss die Brust entfernt werden. Für diese 20 Prozent, so Grit Lüdke, kommt zu Gute, dass Prof. Dr. med. Holm Eggemann, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, während der Ablatio eine Sofortrekonstruktion durchführen kann.
Wenngleich Brustkrebs hauptsächlich Frauen betrifft, so gibt es auch Männer mit dieser Diagnose. „Für diese Betroffenen, das muss man ganz klar sagen, ist es gerade am Anfang eine Odyssee, die sie durchmachen müssen“, berichtet Grit Lüdke. Entdeckt ein Mann nämlich etwas an seiner Brust, so muss auch er zur weiteren Abklärung einen Frauenarzt aufsuchen. „Schon wenn der Termin vereinbart wird, müssen die Männer mit dem Vorurteil kämpfen, dass ausschließlich Frauen zum Gynäkologen gehen“, erzählt sie. Zwar sei die Brustkrebsdiagnose bei Männern selten – doch allein im Klinikum Magdeburg sind 2019 fünf männliche Brustkrebspatienten behandelt worden.
Egal, was in der OP passiert, für die Brustschwester ist im Nachgang eines wichtig: „Ich führe täglich den Verbandswechsel durch.“ Schließlich ist das ein sehr diskret zu behandelnder Moment. „Ich möchte nicht, dass jeden Tag ein anderer an diese für die Frau neue Körperregion rangeht.“ Dieser eine Fakt spricht für das gesamte Tun von Grit Lüdke. Diskretion und Hilfe – alles im Sinne der Patientinnen.
Stand: Januar 2021
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Birkenallee 34
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