RSV, Grippe & Corona auf einmal: Kinderklinik kommt an Kapazitätsgrenzen
30.11.2022
Die Belegungssituation in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Klinikum Magdeburg spitzt sich zu. Schon jetzt im November bringt die Herbst-/Winterwelle aus RS-Viren, Grippe und Corona die Einrichtung an ihre Kapazitäts-Grenzen. „Wir können zwar immer noch Kinder aufnehmen, müssen dies aber zunehmend auch aus anderen Kliniken im Umland, weil die ebenso überlaufen. Es wird zu einem täglichen Wagnis, wo in der Gegend noch Betten für Kinder frei sind“, erklärt Chefarzt Dr. Matthias Heiduk. Dieser Zustand sei dauerhaft unhaltbar.
In dieser Saison sei die Grippewelle recht früh, zudem beobachte man eine Vielzahl an Kindern, die mit RSV ins Krankenhaus kommen. Dabei handelt es sich um das sogenannte Respiratorische Synzytial-Virus, das bei Erwachsenen nur erkältungsähnliche Symptome wie Schnupfen, Husten und Halsschmerzen erzeugt. Bei Säuglingen und Kleinkindern kommt es jedoch oft zu schwereren Verläufen mit einer Lungenentzündung, sodass die Kinder sauerstoffpflichtig werden. Gefährdet für schwerere Verläufe sind zudem Kinder mit Lungenvorerkrankungen. „RSV haben wir in jeder Saison. Dieses Mal ist das Aufkommen aber recht stark. Das mag damit zu tun haben, dass nach Jahren der Corona-Schutzmaßnahmen recht viele Kinder gleichzeitig zum ersten Mal mit diesem Virus in Kontakt kommen“, so der Mediziner.
„Auch die ambulant tätigen Kinderärzte arbeiten an ihrer Kapazitätsgrenze auf Grund der vielen erkrankten Kinder. Im stationären Bereich müssen wir geplante Aufnahmen verschieben, um die stationär behandlungsbedürftigen Säuglinge und Kleinkinder mit Infektionen betreuen zu können. Kapazitätsprobleme in der stationären Versorgung haben derzeit viele Kinderkliniken. Aktuell bekommen wir Anfragen aus Hannover und Braunschweig, ob wir Kinder stationär aufnehmen können. Der Aufwand ist natürlich enorm und für die ohnehin schwerer erkrankten Kinder eine zusätzliche Belastung. Gleichzeitig können wir unsererseits stationär zu behandelnde Kinder zum Teil nicht mehr unterbringen und suchen nach Plätzen in anderen Städten. Die Zuspitzung der Situation hat auch mit der Schließung einiger Kinder- und Jugendkliniken der letzten Jahre im nördlichen Sachsen-Anhalt zu tun“, so der Mediziner. Besonders bedenklich ist, sagt Dr. Heiduk, dass es aktuell Engpässe auf vielen Kinderintensivstationen gibt. „Kürzlich erst haben wir ein Intensivbett für ein Kleinkind gesucht. In Magdeburg, Halle, Braunschweig und Hannover war keins verfügbar. Erst Leipzig konnte uns helfen. Solche langen Transportwege stellen an sich wiederum eine zusätzliche Belastung und Risiko für schwer erkrankte Kinder dar.“
Neben extremen saisonalen Effekten sieht der Kindermediziner ein strukturelles Defizit in der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen als Ursache dieser Zuspitzungen in der Versorgung. So sei zu beobachten, dass mit der Einführung des Fallpauschalensystems DRG in Deutschland die Zahl der Kinderkliniken um ein Fünftel gesunken sei; das Fallpauschalensystem schreibt begrenzte Mittel zur Versorgung eines Patienten vor. „Kinder sind jedoch nicht wie erwachsene Patienten. Der Behandlungsaufwand ist schlicht viel größer, wird aber mit dem derzeitigen Fallpauschalensystem nicht finanziert“, so Dr. Heiduk. Über Jahre machten Kindermediziner auf dieses Problem aufmerksam, ohne dass sich etwas tat. Die Folge waren immer wieder sogenannte „unwirtschaftliche“ Kinderkliniken, die geschlossen wurden. „Aktuell finden wir endlich Gehör. Für 2022 und 2023 plant die Politik Zuschläge für die stationäre kinderärztliche Versorgung. Ich hoffe, dass sich dies nachhaltig positiv auf die stationäre Pädiatrie auswirkt“, sagt Dr. Heiduk.
Die Kinder- und Jugendmedizin muss aber auch ihren Teil leisten und sich den Anforderungen der Zukunft stellen. Personalmangel und Ambulantisierung brauchen neue Strukturen, so Dr. Heiduk.
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